New Normal, old Normal? Homeoffice und Remote-Arbeit
Wie und wo wollen wir arbeiten? Für viele Mitarbeiter sind das nach Lockdown und Homeoffice-Pflicht zentrale Fragen geworden. Was für die einen eine Revolution, ist bei anderen bereits jahrelang gelebte Praxis.
Die Pandemie ist ein Homeoffice-Beschleuniger, so viel steht fest. In kürzester Zeit wanderten Arbeitsplätze vom Büro in die eigenen vier Wände. Unterstützt vom dringenden Appell der Bundesregierung stieg der Anteil von Beschäftigten, die ausschließlich oder überwiegend von zu Hause arbeiten, von 4 % vor der Krise auf 27 % im ersten Lockdown (Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung).
Auch wenn Kritiker bemängeln, dass noch Potenzial besteht, ist die Entwicklung beachtlich. Und dieser rapide Sprung hat Folgen: Häufig ging die Verlagerung ins Homeoffice nicht ohne Spuren vonstatten. Arbeitsplätze wurden vielerorts überhastet eingerichtet, notwendige Schulungen wie Cyber Security Awareness vernachlässigt. Plötzlich fanden sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem neuen Umfeld wieder. Außerdem war im Lockdown die Eingewöhnungszeit aufgrund Familienbetreuung oder Home Schooling stark beeinträchtigt.
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Voraussetzungen erfüllt, Herausforderungen bleiben
Als IT-Security Dienstleister war unser Unternehmen bereits vor der Pandemie auf Homeoffice und Remote-Arbeit eingestellt: Die nötige IT-Infrastruktur war aufgebaut, ein abgesichertes Netzwerk und eine gegen Cyberkriminalität sensibilisierte Belegschaft verstehen sich von selbst. Für einige Kolleginnen und Kollegen war dieses „New Normal“ gar nicht mal so neu.
Aber auch mit dieser soliden Basis hat sich das Thema nicht erledigt. Wenn sich die Büros an den Standorten fast komplett leeren, geht auch ein Stück Alltag verloren: der Plausch in der Kaffeeküche, der banale Augenkontakt und damit der soziale Kitt. Auch die tägliche Schrittzahl geht nach unten. Unsere Geschäftsleitung musste auf diese Veränderungen reagieren. Unter anderem wurde dank einer virtuellen bewegten Mittagspause unter fachkundiger Anleitung die Fitness und Aktivität gefördert. Darüber hinaus schaffen regelmäßige Get-Together über Microsoft Teams eine Atmosphäre zum persönlichen Austausch.
Die Schattenseiten ändern nichts an der generell positiven Grundstimmung. Wer einmal ein flexibles Arbeitsmodell erlebt hat, will sich davon nicht verabschieden. Oft geht ein höherer Output mit einer verbesserten Work-Life-Balance einher. Private Termine lassen sich bequemer erledigen und die Arbeit kann in den Zeitraum verlegt werden, in dem man am produktivsten ist.
Erfahrungsbericht: Ralf Dondl, Technischer Consultant IT-Security bei Thinking Objects:
“In heutiger Zeit ist es vielleicht normal, dass wir Homeoffice machen, aber mein Arbeitgeber hatte mir schon immer die Freiheit gegeben, meinen Arbeitstag selbst zu planen und einzuteilen. Daraus folgt, dass ich überall, wo ich einen Internetanschluss habe und telefonisch erreichbar bin, arbeiten kann. Ich bin sehr froh, dass ich nicht auf zwei Arbeitsplätze begrenzt bin. Dadurch kann ich Berufliches und Privates kombinieren und die Arbeitszeiten teilweise in den Abend verlegen.
Der Servicegedanke spielt für mich eine zentrale Rolle, was eine hohe Flexibilität erfordert. Ich bin der Letzte, der „nein“ sagt, wenn jemand abends Hilfe benötigt. Mir ist es dann ein inneres Bedürfnis zu helfen. Und ich bin froh, dass mein Arbeitgeber so flexibel ist, um mir an einem anderen Tag mehr Zeit mit meiner Familie zu geben.
Ich hatte einmal einen Chef, der bestand auf eine feste Arbeitszeit von 8 bis 17 Uhr, um zu sehen, wie viel ich in der Zeit leiste. Ich durfte außerhalb der Servicezeiten nicht arbeiten. Da hätte „die Hütte brennen” können, er hätte auf seine Servicezeiten gepocht.
Gott sei Dank ist das hier nicht der Fall. Unternehmen, die wissen, was ihre Mitarbeiter können, was Sie an jedem Einzelnen haben und dass man seine Aufgaben eigenverantwortlich abschließen kann. Deswegen war Homeoffice bei uns schon immer möglich und es gab damit in den letzten Jahren nie Probleme. Deswegen konnte man auch schon vor den Servicezeiten von zu Hause aus anfangen und dann antizyklisch zur Arbeit oder zu Kunden fahren.
Eigenverantwortung und Flexibilität
Natürlich muss man dann selbst abschätzen können, ob es sinnig ist jetzt zu fahren, weil gerade der Verkehr nicht stark ist, oder zu warten oder gar nicht zu fahren. Wenn man z.B. gerade mitten in einer Großstörung ist oder ein kurzfristig anberaumtes Meeting hat, verschiebt man die Fahrt auf später. Auch da waren wir schon immer professionell genug, dass man bei Meetings nichts verpasst hat, weil man, dank der vorhandenen technischen Voraussetzungen, Remote genauso gut teilnehmen kann.
Wenn es immer noch Führungskräfte gibt, die meinen: „ich will meine Mitarbeiter um mich haben, weil ich sie so besser kontrollieren kann“, dann sollte diese Person einmal ihr „Mindset“ überdenken. Bei uns ist das schon deshalb nicht der Fall, weil von meinen Führungskräften über Ziele geführt werde. Das ist nur eine etwas andere Art zu arbeiten, das Ergebnis ist von der Lokalität der Arbeitsstätte unabhängig. Flexibilität beim Arbeitsort fängt im Kopf jedes Einzelnen an. Wenn ihr Gefallen daran findet, so zu arbeiten, dann kommt zu uns.”
Die gesunde Mischform macht’s
Die meisten Arbeitnehmer rechnen damit, dass das Homeoffice auch nach der Corona-Krise eine größere Rolle spielen wird. Über die Hälfte der Befragten im Homeoffice möchte auch zukünftig gern von zu Hause arbeiten. Der Wunsch der Belegschaft nach flexibleren Arbeitsmodellen ist wahrnehmbar, gleichzeitig sind traditionelle Arbeitszeiten keineswegs aus der Mode. Eine Lösung für alle wird es aber nicht geben.
Der “New Workplace Report” beobachtet über alle Altersgruppen hinweg den Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen ohne starre Arbeitszeiten. Vor allem bei den 16- bis 34-Jährigen ist der Wunsch nach einem hybriden Ansatz, der sowohl Büro- als auch Heimarbeit ermöglicht, hoch im Kurs (49 Prozent). Bei den über 55-Jährigen ist immerhin ein Drittel diesem Ansatz zugeneigt.
Das Thema „New Work“, mit dem sich bereits viele Unternehmen beschäftigen, wird spätestens nach der Pandemie noch stärker im Fokus stehen. Die Umsetzung bleibt aber eine Herausforderung, weil viele Hürden genommen werden müssen. Neben technischen Hürden müssen Organisationen teilweise tiefgreifende Entscheidungen hinsichtlich ihrer Unternehmenskultur treffen.
Hier muss die Balance gehalten werden und flexible, individuelle Lösungen ermöglicht werden. Wer es schafft, die Nachteile der Homeoffice- und Remote-Arbeit abzufedern, wird die Zufriedenheit und Produktivität in der Belegschaft deutlich steigern und sich auch im Kampf um Talente einen Wettbewerbsvorteil sichern können.
Wie ist Ihr Unternehmen aufgestellt? Und wie wollen Sie in Zukunft arbeiten?
Aktuelle Statistiken und Studien zum Thema
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- Statista Sammlung Homeoffice und mobiles Arbeiten – ein Überblick (Teils kostenpflichtig)
- Hans-Böckler-Stiftung: Elke Ahlers, Sandra Mierich, Aline Zucco: Homeoffice in Zeiten von Corona, WSI-Report Nr. 65, April 2021 (pdf).
- Okta: The New Worklpace Report 2021
- Bertelsmann-Stiftung: Homeoffice – Eine Erfolgsstory mit Schattenseiten
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